AVAION: "Ich habe gegoogelt: Wie macht man ganze Lieder?"

Interview AVAION: "Ich habe gegoogelt: Wie macht man ganze Lieder?"

Er hat einen ganz neuen, einzigartigen Sound in die elektronische Musik gebracht. Dabei erzählt er universelle Geschichten.

AVAION: "Ich habe gegoogelt: Wie macht man ganze Lieder?"Foto: AVAION

Mein Gespräch mit Christopher Stein aka AVAION war eigentlich schon früher geplant. Termin stand, wir haben uns gefreut und dann kam aber leider die traurige Nachricht: Chris hatte einen Hörsturz. Absoluter Horror für jeden Musiker. Wir konnten nur Genesungswünsche schicken. Eine Woche später fand unser Gespräch dann statt. Ich wähle mich in den Call ein und Chris taucht auf. Erleichtert merke ich, er sieht fit aus.

Cover Goodbye von AVAION
Cover Goodbye von AVAION

Der neue Track von AVAION feat. Sam Welch: "Goodbye"

Label: RCA Local
Release Date: 08. September 2023
Genre: Dance / Electronic

Beats Radio: Hey Chris! Wie gehts dir? Ist alles wieder okay mit deinen Ohren?

AVAION: Ja, zum Glück. Das war echt kein Spaß die letzte Woche. Es war dann auch eine große psychische Belastung. Ich habe nichts mehr gehört und das hat mir natürlich Angst gemacht - wie soll ich da jetzt noch Musik machen? Jetzt ist aber alles wieder gut!

Das freut mich sehr zu hören! Ich drücke die Daumen, dass es so bleibt. Kommen wir zu deiner Musik, was macht die aus?

Ich denke, das Besondere ist, dass ich alles selber schreibe, produziere und auch selbst singe. Ich bringe viele akustische Parts mit rein und achte vor allem auf den Vibe und gar nicht so sehr auf das Lyrische. Ganz wichtig ist mir dabei, dass ich Raum für die eigenen Geschichten der Leute lasse. Jeder Song soll für jeden was anderes bedeuten.

Wie gehst du an sowas ran? Wie erzählt man eine universelle Geschichte?

Mit wenig Nachdenken. Ich mache einfach und dann hat es bisher immer irgendwie geklappt, dass die Leute sich selbst darin finden. Das ist ein Flow, der von alleine kommt.

Und wie bist du in diesen Flow und zur Musik gekommen?

Ich habe schon früh gemerkt, dass ich einen anderen und größeren Bezug zur Musik habe als andere Kinder. Mein Vater und Opa waren auch Musiker - wenn auch in einer anderen Richtung. Das hat mich immer fasziniert. Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass mir ein physisches Instrument nicht unbedingt den größten Spaß macht.

Und wie kam dann das Producen?

Ich habe dann einfach gegoogelt “Wie macht man ganze Lieder”. Als Kind hatte ich einen Notenblock und da habe ich immer Töne eingemalt und die dann nachgespielt. Das war mir aber nicht "Musik genug" und ich dachte, das muss anders gehen. Dann habe ich Programme entdeckt und das Producen lieben gelernt.

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Ein ganz neuer Klang

Ursprünglich kommst du aus dem Dubstep und härteren Szene, mittlerweile kennt und liebt man deine ruhige Musik. Wie kam dieser Umschwung?

Eigentlich war das immer ein zwiegespaltenes Ding. Ich habe beides gemacht, auch heute noch. Die härtere Schiene hat mir was gegeben, dass die ruhige Szene nicht konnte und genauso umgekehrt. Ich hatte dann eine gesunde Balance. Es gab eine Zeit, da haben wir nur Partys organisiert, die voll drauf waren. Da habe ich dann aber zum Ausgleich das Ruhige gebraucht. Mein bester Freund hat dann zu meinem ruhigen Zeug  gesagt: “Hey, das ist jetzt nicht scheiße. Bring das doch mal raus.” Das hat dann funktioniert.

Bedeutet du kommst irgendwann auch wieder zu deinen Ursprüngen zurück?

In die Dubstep- und Drum-and-Base-Szene vermutlich eher nicht. Wenn dann unter einem anderen Namen und zum Spaß.

Dein Durchbruch war der Track “Pieces”, der hat einen ganz neuen Sound in die House-Szene gebracht und viele Musiker beeinflusst. Wie bist du zu diesem Klang gekommen?

Ähnliches Prinzip. Ich habs einfach mal gemacht und wusste aber schnell, okay, das ist jetzt was besonderes. Dann kamen recht schnell die Gespräche mit Sony, die gefragt haben, was ich noch so in petto habe. Ich hab ihnen Pieces geschickt und damit ging die Reise dann los.

Also kein Plan  dafür haben und einfach mal so einen neuen Sound erschaffen?

Da ging es für mich nicht um ein Genre. Der Track hat sich wirklich selbst seine Bahnen gesucht. Was danach kam und dass sich viele daran orientiert habe, war für mich natürlich eine große Ehre, aber nicht geplant.

Auf der Bühne

Ich kann mir aber vorstellen, auf der Bühne sind deine ruhigen Klänge neben den früheren Dubstep-Tracks nicht gerade leicht zu performen oder? 

Absolut. Für viele Festival-Shows ist es schwieriger, mit den gechillteren Sounds die Stimmung zu heben. Ich versuche immer eine Mischung aus meinen Songs und härteren zu finden. Am Ende sollen die Leute alles erlebt haben.

Und das kommt ja auch an…

Die Leute mögen die Mischung. Man will ja nicht 90 Minuten nur rumspringen, sondern auch einfach hören und fühlen. Deswegen spiele ich auch nie Remixe, sondern das Original. Ich denke mir immer, wenn ich da hingehe und es gibt einen Song, der eine große Bedeutung für mich hat, dann will ich auch den hören, was ich kenne und liebe.

Bist du eher Studio- oder Bühnenmensch?

Eher Studio. Ich mag das Musik machen. Der Rest kam eher noch on top dazu, aber mein Hauptthema ist die Musik. Zur Bühne würde ich natürlich trotzdem niemals nein sagen. Wenn die Leute mit singen, ist das das Schönste, das es gibt.

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Mit Oma im Publikum

Was war dein schönster Bühnenmoment?

Das war ein Festival hier in der Nähe. Da waren nämlich Mama, Papa, Oma, Tanten, Onkel alle da. Das war superschön. Sie haben mich auf der großen Bühne gesehen und wahrgenommen: Okay, das ist jetzt krass.

Hat dich deine Familie am Anfang bei deiner Art von Musik unterstützt? So ganz ohne Instrument.

Doch schon, aber ihnen wäre ein richtiges Instrument schon lieber gewesen. Als Konzertpianist hätte ich vermutlich mehr Unterstützung bekommen. Für sie saß ich die ganze Zeit am Laptop und bin nicht nach draußen gegangen. Aber es ging schon.

Wenn du mit deinem jüngeren Ich sprechen könntest, welchen Rat würdest du dir geben? 

Ich würde nicht viel anders machen. Ich bin meiner Linie treu geblieben. Vielleicht würde ich sagen, achte mehr auf die Balance. Sperr dich nicht nur ins Studio ein, hab auch noch ein social life.

Und neuen Producerinnen und Producern?

Geh nicht nur nach Trends. Schau auch, was fühlst du selbst und versuche das umzusetzen.

Dein neuer Track “Goodbye” ist eine Zusammenarbeit mit dem Sänger Sam Welch. Was steckt dahinter?

Ein toller Song, auf den bin ich sehr stolz, mit einem Sänger aus London und mal nicht von mir gesungen. Ich habe mich nur auf die Produktion konzentrieren und das ist wirklich super geworden. Da ist mein Mood und mein Skill-Level drin.

Wirst du in Zukunft öfter mit anderen Sängerinnen und Sängern zusammenarbeiten?

Ich denke schon. Es treibt meinen Workflow noch mal mehr nach vorne. Ich sehe mich nicht als Sänger, nutze dieses Tool nur, um noch mehr Intimität in die Tracks rein zu bringen. Das werde ich auch beibehalten, aber es ist auch schön, sich nur aufs Producen zu konzentrieren.

In einem Satz, was ist Musik für dich.

Ich würde sagen: Lebenssinn. Es ist meine Aufgabe und mein Antrieb.

Alena Kohler

Redaktion