Bisher widmete er seine Musik eher dem Dancefloor im Club. Corona hat seinen Sound ziemlich verändert. Matchy im Gespräch mit Beats Radio.
Während meines Gesprächs mit Martin aka Matchy rutschte er mir einfach immer wieder davon - kein Scherz. Naja besser gesagt, sein Handy kippte gerne immer wieder um. Sind wir ehrlich, ein Interview kann nur gut laufen, wenn man direkt zu Beginn gemeinsam ausgiebig lachen muss, weil das Handy einfach nicht stehen bleiben will.
Label: Beyond Now
Release Date: 30. Juni 2023
Genre: Dance / Electronic
Beats Radio: Ah, das sieht doch gut aus!
Matchy: Ja, ich glaube, jetzt steht es! Super!
Schön, dich zu sehen! Sieht ja toll aus bei dir, richtig sommerlich. Wo bist du denn gerade?
Ja oder? Bäume im Hintergrund und blauer Himmel! Ich bin gerade in Berlin in einem Café zum Frühstück.
Ach wie schön, dann frühstücken wir jetzt zusammen.
Genau! So ne Frühstückspause tut auch gut. Es ist gerade alles ein bisschen stressig bei mir. Wir ziehen gerade um.
Du verlässt Berlin? Warum das?
Ich bin Papa geworden und da wir hier in Berlin in einem eher lauterem Viertel gewohnt haben, dachten wir, jetzt wird es Zeit. Jetzt hat sich die Möglichkeit ergeben, aufs Land in die Nähe von einem Wald zu ziehen. Ich liebe Berlin trotzdem. Es ist schon sehr schön hier.
In deinem Haushalt ist es mit der Musik doch bestimmt eh nie ganz still. Wie würdest du deinen Sound beschreiben?
Mein Hauptgenre ist Melodic-House und Techno, aber ich spiele auch viel Progressiv-House oder auch Afro-Influence-Sachen mit Perkussion. Also, das Konzept meiner Sets ist viel Druck von unten, aber oben doch sehr melodisch und harmonisch. Alles was ich mache, hat sehr treibende Baselines. Es zeichnet sich aber eben am Ende doch durch die Harmonien, Chords und Melodien aus. Es geht mir nicht nur rein um den Groove und den Beat.
War Musik schon immer Teil deines Lebens?
Ich habe als Kind schon Flöte gespielt, der Standardeinstieg also. Dann habe ich Piano für ein paar Jahre gelernt. Das hat auch echt viel gebracht, auch fürs Produzieren. Sind wir mal ehrlich: Was macht man beim Produzieren? Eigentlich spielt man nur die Melodien und alle anderen Instrumente über ein Mini-Keyboard ein. Wenn man also weiß, wie man ein Keyboard beherrscht, ist Musik produzieren recht einfach.
Und wie bist du das erste Mal damit in Berührung gekommen?
Angefangen habe ich tatsächlich mit Rap-Beats. Ein Kumpel von mir war nämlich einer der bekanntesten Rapper Darmstadts. Da habe ich mit meiner Clique, ihm und seinen Freunden in ihrem Keller-Studio abgehangen - was natürlich total cool war. Der eine meinte dann, hey komm ich, zeig euch mal wie man Beats produziert und wir schauen was dabei rumkommt. Ich hab auch selbst gerappt. Ich fand die elektronische Musik dann aber doch cooler als Rap. Elektronische Musik lief in der Zeit wirklich überall im Radio. Der Kontakt war also da.
Können wir uns dann auch bald mal auf einen Track von dir freuen, auf dem du rappst oder ist das Geschichte?
*lacht* Das ist Geschichte, aber wer weiß, kommt vielleicht noch. Ich probiere gerne Neues aus. Auch mein neuer Track “Be There” ist schon ein Ausreißer. Er ist auf der einen Seite langsamer, aber auch weniger clubig. Ich habe ihn schon häufig Open Air gespielt und er ist auf jeden Fall tanzbar, aber auch besonders harmonisch mit vielen Vocals. Meine anderen Tracks sind mehr für den Club gemacht.
Erzähl doch mal von “Be There”, wie kam es zu diesem neuen Sound?
Die erste Idee zu dem Track habe ich schon 2020 geschrieben. Ich hatte am Anfang ganz andere Ideen. Dann habe ich angefangen, mit Jonas, dem Sänger zusammenzuarbeiten. Dass die Nummer jetzt ist, wie sie ist, ist eigentlich Corona geschuldet. Ich wollte damals einfach was anderes machen.
Inwiefern ist da der Corona-Zusammenhang?
Das war ja doch eine sehr absurde Zeit. Man ist es gewohnt, jedes Wochenende im Club unterwegs zu sein und plötzlich ist man gezwungen, zuhause zu sitzen. Die Energie vom Wochenende fürs Produzieren hat gefehlt, dafür war eine andere da. Ich habe gemerkt, ich möchte Musik machen, die nicht nur für den Club passt, sondern Musik, die ich fühle.
Was macht für dich den Track jetzt so besonders?
Ich finde, der Track hat auf der einen Seite ein melancholisches Gefühl und ist gleichzeitig uplifting.
Und was war der größte Unterschied beim Produzieren im Gegensatz zu deiner bisherigen Musik?
Ganz ehrlich, Clubmusik produzieren ist relativ simple. Für einen Techno-Track brauchst du vielleicht fünf oder sechs Spuren. Die Idee muss aber natürlich schon On Point sein. “Be There” hatte jetzt am Ende knapp 60 Spuren. Es gab so viel verschiedenen Harmonien, Melodien oder Drums. Das Projekt konnte man kaum noch öffnen. Es war von der Produktionsseite her eine ganz andere Herausforderung. Ich glaube, ich habe in wenig Tracks so viel Arbeit gesteckt.
Wenn du an einen neuen Track rangehst, ab wann weißt du, das wird jetzt so eine Nummer oder so eine Nummer?
Das ist eine gute Frage. Ich bin ehrlich, ich könnte jetzt ausholen und sagen: Ich hatte DIE große Inspiration von da und da. Mal ganz ehrlich, man geht als Produzent ins Studio mit einer kleinen Idee. Ich möchte jetzt einen Club-Track machen, ich möchte etwas harmonisches machen und dann probiert man einfach mal Sachen aus. Der Prozess ist ein Try and Error. Bei “Be There” habe ich mit Akkorden angefangen. Bei Club-Tracks fange ich mit der Baseline an. Die richtigen Frequenzen, hat es genügend Druck und so weiter.
Woher kommt eigentlich dein Name?
Der Name ist tatsächlich ein Spitzname, abgeleitet von Martin. Meine Schwester hat mich früher Matchi genannt. Anfänglich war es die deutsche Aussprache, dann wurde es irgendwann internationaler. Als Hashtags noch groß waren, war das natürlich auch super: It’s a #matchy.
Wenn du heute nochmal entscheiden könntest, würdest du wieder deinen Kindheits-Spitznamen wählen?
Ich erlebe oft, dass Menschen sagen “Ich möchte erfolgreicher DJ werden” und dann anfangen, das als eine Art Projekt zu planen. Bei mir kam das alles eher spontan. Ich habe da nicht nachgedacht, sondern ich habe Musik gemacht. Das war mein Hobby, wenn andere gezockt haben, habe ich produziert. Ich fand es einfach geil etwas Eigenes zu schaffen. So war das dann auch mit meinem Namen. Der war dann halt einfach da. Würde ich wieder so machen und ich bin immer noch glücklich damit.
Du sagst, alleine das Herangehen an die Sache ist heute schon anders. Wie würdest du sagen, hat sich die Musikszene allgemein in den letzten Jahren verändert?
Man muss leider sagen, die Melodic-Szene ist schon sehr gesättigt. Man muss eigentlich gar nicht mehr produzieren können, es reicht das Baukastenprinzip. Nicht falsch verstehen, dafür braucht man trotzdem ein Musikgespür und am Ende muss es trotzdem gut klingen. Was ich aber schade finde, ist, dass durch den Einfluss von großen Labels jeder versucht, den gleichen Sound zu kopieren. Ich weiß noch, als ich damit angefangen habe, hat mich die Musik noch so geflasht, einfach weil das ein ganz anderer Stil war. Heute machen alle Künstlerinnen und Künstler das Gleiche. Das scheint gerade das Ziel zu sein, dass alles gleich klingt. Artists versuchen gar nicht mehr, einen eigenen Sound zu entwickeln, sondern sagen, oh das ist gerade erfolgreich, das mache ich auch.
Woran denkst du liegt das?
Spotify und Streaming werden immer wichtiger. Das Ding ist halt, wer bestimmt, was in diese Playlists reinkommt? Klar, Spotify sagt, die Kuratoren sind unabhängig, wenn man aber schaut, was hinter den Kulissen abgeht, sieht man komischer weiße doch immer die gleichen Artists und Sounds. Das ist einfach die unschöne Seite des Musikbusiness. Es ist wie überall, es geht um Geld und die Platzierung. Für Independent-Artists ist es da schwerer.
Hättest du dann einen Tipp für alle, die anfangen mit Musik?
Man muss nicht traurig sein, wenn man in manche Playlisten nicht rein kommt. Es liegt nicht an deinem Können oder deiner Musik. Man wird in diesem Moment einfach noch nicht genug als relevant betrachtet.
In einem Satz, was ist Musik für dich?
Musik ist für mich das Leben und Emotionen und die Möglichkeit dem Alltag zu entfliehen. Wenn man Musik hört, kann man eine kleine Reise machen und abschalten.
Alena Kohler / Redaktion