Vom Gaffa Tape bis zum Ventilator, für Murmur Tooth & Lars Moston ist die ganze Welt Musik. Sie kommen aus ganz unterschiedlichen Genres und vermischen alles zu einem großen, gemeinsamen Sound.
Heute habe ich jemanden eine große Freude gemacht - ach, wenn es doch immer so einfach wäre. Als ich den Call mit Murmur Tooth aka Leah Hinton und Lars Moston starte, gehe ich erst mal davon aus, dass wir ein Interview auf Deutsch führen werden. Kontaktanfrage und unser bisheriger Mailverlauf waren auch auf Deutsch. Als wir das Gespräch aber starten und ich meine erste Frage stelle, sehe ich die lange Liste an Notizen, die sich Leah gemacht hat. Sie wirkt auch sehr aufgeregt und entschuldigt sich mehrfach für ihr nicht ganz perfektes Deutsch. Als ich vorschlage, das Interview auf Englisch zu führen, sehe ich förmlich, wie eine große Anspannung von ihr abfällt. Das kann ich auch verstehen, die beiden haben nämlich viel zu erzählen. Also stelle ich die erste Frage noch mal auf Englisch und los geht’s (für euch trotzdem übersetzt):
Label: Motor Music Records Release Date: 19. Mai 2023 Genre: Alternative/Indie, Dance/Electronic, Pop
Beats Radio: Eure Musik ist ja wirklich ganz besonders. Ihr habt Elemente, die nicht typisch für elektronische Musik oder Musik allgemein sind. Wenn ihr jetzt mit jemanden sprechen würdet, der noch nie etwas von euch gehört hat, wie würdet ihr euren Sound beschreiben?
Leah: Wie du schon sagst, ist das Besondere an unserer Musik, dass es eben nicht nur elektronisch ist. Meine Anfänge waren in der klassischen Musik und dann bin ich im Heavy Metal gelandet. Ich habe also den größte nicht-elektronischen Hintergrund, den man sich vorstellen kann. Wir sagen ganz oft, wir machen nicht-elektronische-elektronische Musik.
Was bedeutet nicht-elektronische-elektronische Musik?
Leah: Unser Endprodukt klingt zwar elektronisch, ist es aber nicht komplett. Wir machen unsere Sounds nicht nur am PC oder mit dem Synthesizer, sondern mit allen möglichen Dingen. Gestern haben wir zum Beispiel einen Plastikstab in einen Ventilator gehalten und dieses Geräusch verwendet.
Lars: Obwohl jemand auf Instagram kommentiert hat “Ein Ventilator ist elektronisch.” *lacht*
Leah: Stimmt, da hat er recht. Wir machen auch verschiedene Geräusche acappella. Es klingt elektronisch, ist es aber nicht immer.
Habt ihr noch andere Beispiele, womit ihr eure Sounds macht?
Lars: Neulich haben wir eine Papiertüte zerknüllt oder Gaffa Tape, das wir irgendwo abreißen. Also wirklich alle Arten von Haushaltsgegenständen.
Wie kommt ihr auf sowas? Woher kommt die Idee, okay jetzt nutzen wir Gaffa Tape oder hey, wie wäre Plastik im Ventilator?
Lars: Wir haben eine Regel: Egal wie dumm die Idee ist, wir werden es ausprobieren. Es gibt also keinen bestimmten Plan. Einiges klingt gut, manches aber auch nicht. Leah: Es fing eigentlich während Corona an. Wir waren Zuhause, da liegt viel Zeug herum, uns war langweilig und so kam eines zum anderen.
Lars: Verstehe uns jetzt nicht falsch, wir sind nicht nur experimentell. Im Zentrum steht immer der Beat und die Musik und dann probieren wir noch ein bisschen aus, einfach zum Spaß.
Wie fangt ihr an, wenn ihr wisst okay neues Album oder neuer Track?
Lars: Das ist jedes Mal unterschiedlich. Manchmal mache ich einen Beat und wir bauen außenrum oder Leah spielt etwas am Klavier und daraus entsteht etwas.
Leah: Meistens beginnt es mit einer Freestylesession. Es gibt verschiedene Wege.
Lars: Manchmal ist es auch nur ein kurzer Gedanke: Ich will jetzt was Ruhiges oder Schnelles machen.
Wie hat das mit euch beiden angefangen?
Leah: Es hat alles in einer Bar angefangen. Wir haben Bier getrunken und uns stundenlang über unseren Musikgeschmack unterhalten und haben uns über den jeweils anderen lustig gemacht *lacht*.
Lars: Ich mache mich über Heavy Metal lustig und du dich über Elektro.
Leah: Und dann kam der Punkt, an dem wir gesagt haben, lass uns zusammen was machen. Das hat so viel Spaß gemacht und so gut gematcht, dass wir damit nicht mehr aufgehört haben.
Lars: Es war toll für mich. Ich habe immer House-Musik gemacht und dann wurde es vermischt mit so viel Neuem.
Also hast du in der elektronischen Musik dein neues Zuhause gefunden?
Leah: Etwas, das mich so an dieser Art von Musik fasziniert, ist, dass es immer ein Gemeinschaftsprojekt ist. Wir machen ein Album und dann nehmen sich andere Musikerinnen und Musiker Tracks und machen vollkommen neue Musik daraus.
Seid ihr eher Bühnen- oder Studiomenschen?
Leah: Das hat sich mit der Zeit geändert. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen und mit Menschen das Leben zu feiern. Mittlerweile genieße ich es aber sehr, im Studio zu sitzen und neue Musik zu machen. Lars: Schwer zu sagen. Das Gefühl auf der Bühne ist intensiver. Studio macht auf lange Sicht aber größere Freude. Vor allem mit Leah zusammen macht das viel Spaß.
Leah, wenn du elektronische Musik auf der Bühne mit Heavy Metal vergleichst, wie groß ist der Unterschied?
Leah: Sehr groß, vor allem das Publikum. Bei Metal gibt es den Moshpit, die Wall of Death, Bier fliegt, es wird geschrien. Elektronische Musik wirkt auf mich etwas… aufgeräumter.
Lars: Naja wir hatten schon auch wilde Shows!
Leah: Stimmt, auch dort springen die Menschen umher und es ist wild, aber doch etwas ruhiger. Eine Wall of Death habe ich da noch nie gesehen *lacht* Weißt du was das ist?
Na klar, ich bin großer Rock-Fan! (Für alle, die es nicht wissen: Eine Wall of Death beschreibt das Szenario, in dem sich das Publikum halbiert und sich an den Seiten verteilt. Bei einem gewissen Punkt wird dann aufeinander zu gerannt, ohne Rücksicht auf Verluste.)
Leah: Ah sehr gut! Dann wird dir das gefallen, wir machen gerade ein Cover zu Alice Coopers “Poison” in langsam und elektronisch! Also elektronischen Metal. Lars: Das kam aber von mir. Ich saß in der Bahn und hab Radio gehört, dann kam Poision von Alice Cooper und ich meinte zu Leah: Wir müssen daraus etwas machen!
Ihr beide seid schon länger Teil der Musikbranche, wenn auch in unterschiedlichen Genres. Wie würdet ihr sagen, hat sich das Business in den letzten Jahren verändert?
Lars: Wenn ich an meine erste Aufnahme denke, die hat vermutlich mehr Geld gemacht als viele, viel bessere Tracks später. Der Markt war viel kleiner. Jetzt kommen 50.000 Tracks täglich auf Spotify und es wird schwerer, gehört zu werden. Jeder kann mittlerweile Musik machen. Das kann auch toll sein, aber es gibt auch viel nicht so Gutes dabei. Der größte Unterschied ist das Gatekeeping.
Welchen Tipp würdet ihr eurem jüngeren Ich geben, wenn ihr mit euch selbst am Anfang eurer Karriere sprechen könntet?
Leah: Ich würde sagen, fange früher mit Vocals an. Ich liebe das sehr und es gibt so viel mehr Möglichkeiten. Ich hatte eine lange, verrückte musikalische Reise, aber ich würde sonst nichts daran ändern. Lars: Ich würde sagen: denke mehr ans Marketing. Fang früher mit Facebook und Instagram an *lacht*
In einem Satz, was ist Musik für euch?
Lars: Mein Leben, das Wichtigste, das immer da war.
Leah: Es ist das Erste, an das ich denke, wenn ich aufwache.
Alena Kohler
Redaktion