Ein Trend auf dem Teller und schon fast eine Art Religion: Veganismus
Vegan – man hört und sieht es zurzeit überall. Nicht nur während des sogenannten Veganuary*1 bieten immer mehr Restaurants und Firmen vegane Gerichte und Ersatzprodukte an. Aber was ist vegan eigentlich genau? „Die vegane Ernährung ist eine rein pflanzliche Ernährungsweise. Sie besteht aus der Vielzahl an pflanzlichen Lebensmitteln: Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse, Samen und daraus hergestellte Produkte. Vegane Menschen essen keine tierischen Nahrungsmittel wie Fleisch, Fischfleisch, Milch, Eier, Honig und Produkte mit tierischen Inhaltsstoffen“, erzählt uns Bettina Eick, Fachreferentin für Ernährung und Sprecherin des PETA Deutschland e.V.
Der Markt für vegane und vegetarische Fleischersatzprodukte boomt: Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamts stieg der Absatz im Jahr 2019 von 60.400 Tonnen verkaufte vegetarisch und veganer Ersatzprodukte auf 83.700 Tonnen im Jahr 2020. Und auch die Anzahl der Veganer in Deutschland steigt kontinuierlich an. Wie das Institut für Demoskopie Allensbach zeigte, stieg die Anzahl an sich vegan ernährenden Personen von 0,85 Millionen Menschen im Jahr 2015 auf 1,41 Millionen Menschen im Jahr 2021.
Aus verschiedenen, meist ganz individuellen Gründen entscheidet man sich für die vegane Ernährungsweise. „Meist ernähren sich Menschen aus ethischen Gründen vegan“, weiß Bettina Eick. Einer dieser Menschen, dem es bei der veganen Ernährung vor allem um das Tierwohl geht, ist der Musikproduzent Moby. Seine Musik hört Ihr regelmäßig bei Beats Radio und auch in seinen Tracks greift er häufig das Thema auf. Im Jahr 1996 erschien beispielsweise sein Album „Animal Rights“. Moby war praktisch ein Pionier des Veganismus und dazu brachte ihn sein kleiner Kater. Nachdem das niedliche Tierchen in sein Leben trat, fiel die Doppelmoral auf: Alles für diesen Kater tun wollen, aber andere Tiere essen. Von einem Tag auf den anderen änderte der Musiker seine komplette Lebensweise. Bereits Ende der 80er-Jahre lebte er den veganen Lifestyle und gründete 2002 das vegetarische und vegane Restaurant „TeaNY“ in New York. Seitdem versucht Moby seine Reichweite zu nutzen und seine Fans vom Veganismus zu überzeugen.
Ein anderer Grund, weshalb sich Menschen heutzutage für die vegane Ernährung entscheiden, ist der Nutzen für die Umwelt, weiß Eick: „Die wissenschaftliche Lage ist eindeutig: Die landwirtschaftliche Tierhaltung – und damit der Konsum tierischer Produkte – gehört zu den Hauptverursachern der größten Umweltprobleme unserer Zeit.“ Tatsächlich sind ganze 20% der weltweiten Treibhausgase auf die Tierwirtschaft zurückzuführen. PETA Deutschland e.V. und andere Befürworter der veganen Ernährung sind sich sicher, dass dieser Lifestyle ein entscheidender Faktor im Kampf gegen den Klimawandel sein kann: „Eine Oxford-Studie (2018) kam zu der Schlussfolgerung, dass der Wandel hin zu einer veganen Ernährung die beste Möglichkeit ist, um die Auswirkungen auf das Klima am effektivsten zu bekämpfen.“
Würde die ganze Welt vegan leben, ließen sich die derzeitigen CO₂-Emissionen bis zum Jahr 2100 um 68 Prozent senken. Zudem könnten die Treibhausgasemissionen für 30-50 Jahre stabilisiert werden.
Bettina Eick, Fachreferentin für Ernährung und Sprecherin des PETA Deutschland e.V.
Wenn der Veganismus eine solch gute Alternative ist, weshalb übernehmen nicht mehr Menschen diese Art zu leben? Wie so oft ist nicht alles Gold was glänzt. Allgemein- und Ernährungsmediziner Dr. med. Klaus Winckler aus Frankfurt am Main erklärte uns, dass die vegane Ernährungsform auch gewisse Risiken mit sich bringt: „Es ist eine gerade sehr beliebte und moderne Ernährungsform, bei der es ein paar Aspekte gibt, die man beachten muss.“ Der Mediziner erklärt uns, dass bei der veganen Ernährung bestimmte Micronährstoffe und Vitamine fehlen: „In der Regel hat man eine Mangelversorgung von Vitamin B12. Dafür gibt es mittlerweile verarbeitete Lebensmittel, denen das Vitamin zusätzlich beigefügt wurde, oder man supplementiert, nimmt also zusätzlich Tabletten.“ Ein sich über mehrere Jahre durchziehender Vitamin B12 Mangel kann unter anderem zu Störungen der Nerven und des Blutbildes führen. Allein mit Ernährung kann man, laut Winckler, dem nicht entgegenwirken: „Auch Patienten, die sehr genau auf eine ausgewogene Ernährung achten, aber nicht zusätzlich supplementieren, haben fast durchgängig einen B12 Mangel.“
Ein weiteres Problem, das durch die Menstruation vor allem Frauen betrifft, ist die mangelnde Eisenversorgung. „Dieser Mangel kann auch zu Beschwerden führen, wie Konzentrationsstörungen, Haarausfall oder Müdigkeit“, erzählt Dr. med. Klaus Winckler. Diese Symptome kann man zwar alle behandeln, besser ist es aber natürlich, wenn man dem Eisenmangel von vornherein entgegenwirkt. Auch hier empfiehlt der Arzt extra zu supplementieren. Für den Ernährungsmediziner ist Abwechslung die beste Art der Ernährung: „Laut Statistiken ist die gesündeste Ernährung, die der Flexitarier*2 oder Pescetarier*3.“ Wer sich vegan ernähren möchte, ist also vor einige Herausforderungen gestellt. Winckler betont aber trotz allem: „Die vegane Ernährung ist keine ungesunde, man muss nur die möglichen Mangelerscheinungen beachten und ihnen entgegenwirken.“
Wenn man sich also gut mit dem Ernährungsprinzip auseinandersetzt, sich informiert und darauf achtet, genügend Nährstoffe zu sich zu nehmen und im Zweifel supplementiert, geht man kein Risiko ein. Auch laut der Academy of Nutrition and Dietetics ist eine „gut geplante, vegane Ernährung gesund, bedarfsdeckend und für alle Phasen des Lebens geeignet und kann gesundheitliche Vorteile in der Prävention und Therapie einiger Erkrankungen bieten.“
Am Ende ist es die Entscheidung jedes Einzelnen, welcher Weg für ihn der Richtige ist. Wir müssen uns mit unserer Art zu leben und uns zu ernähren in erster Linie selbst wohlfühlen. Am Ende ist wichtig, dass jeder nach seinen Überzeugungen lebt und wir trotzdem gut miteinander klarkommen.
Dieser Divise folgt auch Moby. Im Mittelpunkt seiner Musik steht immer erst einmal das Miteinander. Seine Musik steht für Vielfalt, auch wenn er gleichzeitig gerne seine eigenen Überzeugungen, wie Tier- und Umweltschutz, thematisiert.
Was sagt Ihr zu diesem Thema? Denkt Ihr, der vegane Lifestyle wird sich früher oder später in der großen Breite durchsetzen und welche Erfahrungen habt Ihr mit Eurer Ernährung gemacht?
*1 Eine weltweite Promo-Aktion, bei der der Monat Januar im Zeichen des Veganismus steht. Mehrere Menschen probieren einen Monat lang die rein vegane Ernährung aus und mehrere Restaurants bieten in diesem Zeitraum vermehrt vegane Gerichte an.
*2 Menschen, die sich die meiste Zeit vegetarisch oder vegan ernähren und hin und wieder zu Fleisch und tierischen Produkten greifen.
*3 Menschen, die sich vegetarisch ernähren, aber trotzdem Fisch essen.